Katalog zur Ausstellung 

DER WANDEL DES CHRISTLICHEN GRABMALES

ein Beitrag Österreichischer Steinmetze zur OÖ Landesgartenschau 2017

 

 

KATALOG  

 

Auf Zeitreise mit dem christlichen Grabmal
 
 
 
 
Interview der ARGE Urnenhain mit Dr. Arnold Reinthaler.
 
Mustergräber auf der OÖ Landesgartenschau im Stift Kremsmünster bieten Besuchern ungewohnte Sichtweisen auf das Thema Tod und Trauer. Nach einem Konzept des bildenden Künstlers und Steinmetzmeisters Dr. Arnold Reinthaler schufen 13 österreichische Steinmetzbetriebe Exponate, die sich mit der Entwicklung des christlichen Grabmals von der Antike bis in die Gegenwart auseinandersetzen. Den Weg von der Idee bis zur Umsetzung schildert Arnold Reinthaler im Interview mit Richard Watzke für die ARGE Urnenhain.
 
ARGE Urnenhain: Was macht die Ausstellung in Kremsmünster so besonders?
Arnold Reinthaler: Die Ausstellung ist als Präsentation künstlerischer Arbeiten konzipiert, die auf einen kulturwissenschaftlichen Hintergrund aufbaut. Wir haben uns von Anfang an gegen das herkömmliche Konzept einer Aneinanderreihung kommerziell verwertbarer Grabmäler entschieden. Mit einer schönen Musterschau im Sinne des erhobenen Zeigefingers – Wir zeigen euch jetzt, wie das ideale Grab auszusehen hat, produziert und kauft endlich gute Handwerkskunst – hat unsere Schau nichts gemein. Nicht weil wir Musterschauen, wie es sie seit hundert Jahren gibt, irrelevant fänden. Aber mein Job als Künstler ist es, andere Sichtweisen zu eröffnen, anstatt in das immer gleiche Fahrwasser der ‚Trauerarbeit’ und ihrer Inszenierungen zu tappen.
 
ARGE Urnenhain: Wie schafft man es, dass Besucher einer Gartenschau auch das Thema Trauer und Grabmal positiv aufnehmen?
Arnold Reinthaler: Indem Grabmäler und ihr Wandel im Laufe der Geschichte selbst thematisiert werden und auf die Ästhetik von Trauerweiden und verklärenden Wellness-Sprüchen verzichtet wird. Ich denke, dass es für Rezipienten interessanter ist zu sehen, wie sich Steinmetze aktiv mit den Umbrüchen des Friedhofswesens beschäftigen, und diese schließlich spielerisch-heiter thematisieren. Wenn über den Tod schon nicht gesprochen werden kann (oder war schon jemals jemand von Ihnen tot?), dann ist es zumindest den Versuch wert, die Vielfalt seiner Abbildungen auf den Friedhöfen vergangener Jahrhunderte zu thematisieren. Ob das positiv aufgenommen wird, kann ich nicht sagen. Mein Ansinnen ist es jedenfalls, die Entwicklung des Grabmals nüchtern und durchaus selbstkritisch darzustellen, anstatt den Steinmetz einmal mehr als den besseren Seelentröster zu präsentieren.
 
ARGE Urnenhain: Wie ist das Konzept für die LGA Kremsmünster entstanden?
Arnold Reinthaler: Die Idee, mit dem Begriff des christlichen Grabmals zu arbeiten, stammt von Projektteilnehmern einer sehr engagierten Gruppe in Oberösterreich, die bereits bei vorangegangenen Gartenschauen aktiv war. Als ich eingeladen wurde, dazu ein Konzept zu entwickeln, wussten meine Kollegen und Kolleginnen hoffentlich – mit etwas Bauchweh – worauf sie sich einlassen würden. Dass nämlich weder ich noch die Verantwortlichen der Landesgartenschau Interesse daran haben, beispielsweise eine Ansammlung kommerzieller Gräber mit hübschen Bronzekreuzen oder schmucken Engelchen zu zeigen. Ich habe stattdessen vorgeschlagen, die Besucher auf eine kleine Zeitreise zu schicken, beginnend mit einer bildhauerischen Interpretation des Grabes Jesu, weiter zu künstlerischen Kommentaren das Mittelalter betreffend, zu Renaissance und Historismus, bis hin zur Gegenwart. Jeder Teilnehmer sollte einen Beitrag zu einem interessanten (Wende-)Punkt der Friedhofsgeschichte entwickeln. Etwa Farbfassungen der Antike als Thema aufgreifen, den Gesetzestext Karls des Großen erweitern oder das frühbarocke Totenbrett in einen zeitgenössischen Kontext bringen, um nur drei Beispiele zu nennen.
 
ARGE Urnenhain: Wie verlief die Ideenfindung und Umsetzung mit den Steinmetzen?
Arnold Reinthaler: Aus meiner Sicht sehr gut! Vorweg, es gab eine Einladung an alle Steinmetze Oberösterreichs, sich an diesem Experiment zu beteiligen. Insgesamt haben sich dreizehn Kollegen, auch aus Salzburg und der Steiermark, bereit erklärt, mitzuarbeiten. Wir haben uns mehrmals an den unterschiedlichsten Orten getroffen, recherchiert – basierend vorwiegend auf Publikationen des Museums für Sepulkralkultur in Kassel –, in einer weiteren Phase zig Entwürfe skizziert, diese ausgearbeitet, Details diskutiert, Schnaps getrunken, also das ganze Gestaltungsprogramm absolviert. In Anbetracht dessen, dass die Projektteilnehmer kaum künstlerische Vorbildung mitbrachten, war tatsächlich sehr interessant zu beobachten, wie schnell sich spannende Ideen aufspannen können, sobald klar ist, dass wir uns hier auf einem relativ freien Feld namens Kunst befinden. Nur so ist es möglich, dass etwa der Steinmetz vor Ort ein dreidimensionales, vergoldetes Schoßhündchen auf einen Sockel erhebt, in Anlehnung an das berühmte goldene Kalb, aber mit dem Witz eines Jeff Koons.
 
ARGE Urnenhain: Was erwartet die Besucher beim Weg durch die Ausstellung?
Arnold Reinthaler: Die einzelnen Beiträge laden vor allem zur Interaktion ein. Sie anzusehen, ist nur die bequemste Möglichkeit mit den Arbeiten zu kommunizieren. Beim nachgebildeten Grab Jesu – mit dem weggerollten Bocca della Verità – müssen Sie etwa die Schwelle zur Ausstellung überschreiten, anderswo ist eine ‚Umfriedung’ zu überwinden, um zum Stein zu gelangen. Sie können sich aber auch gemeinsam mit einem steinernen Totenkopf in den Spiegel schauen oder sich als Schneeengel in kristallinem Laaser Marmor wälzen. Ein Beitrag, der die Gotik reflektiert, und auf das Ausrichten der Gräber auf Reliquien Bezug nimmt, ist als zu drehender Peilstein gefertigt, da können Sie via Fadenkreuz ihre Zukunft anvisieren. In der Gegenwart angekommen, werden Sie hingegen eingeladen, am Grabstein Mühle zu spielen und auf diese Weise Ihr Kreuz zu machen.
 
ARGE Urnenhain: Gibt es auch selbstkritische Ansätze?
Arnold Reinthaler: Tatsächlich hinterfragen manche Arbeiten die Rolle der Steinmetze kritisch, etwa die Massenproduktion uniformer Billigware in den 80ern des 20. Jahrhunderts oder die von Beiwerk überladenen Parkfriedhöfe des sogenannten Industriezeitalters. Weitere Beiträge verhandeln die Auswirkungen der Gesetze zur Leichenverbrennung im 8. Jahrhundert nach Chr., sowie die Aufhebung des Kremationsverbotes von der Katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Eine andere Station des Parcours zeigt ein buntes Trauerrelief nach der Vorlage einer Arbeit von Roy Lichtenstein. Ein paar Meter weiter greift eine Renaissance-Skulptur das Thema der Schriftgestaltung auf und widmet sich einem Zitat von Oscar Wilde, während sich die Besucher – bereits im Barock angelangt – in einem nachgebildeten Totenbrett selbst ‚verewigen’ können.
 
ARGE Urnenhain: Welche Botschaft nehmen die Besucher mit?
Arnold Reinthaler: Wir werden einen Katalog zur Ausstellung mit Abbildungen der einzelnen Arbeiten, möglicherweise auch mit kulturwissenschaftlichen Beiträgen produzieren. Ich möchte die Steinmetze nicht als ahnungslose Erfüllungsgehilfen der Granit- und Trauerindustrie vorstellen, sondern als künstlerische Gestalter hochwertiger Erinnerungszeichen. Die Botschaft ist: Schaut her, liebe Leute, die Steinmetze wissen (wieder), was sie tun. Die kennen sich mit Grabmälern aus und antworten mit mutigeren Alternativen auf die zeitgenössischen Herausforderungen von Friedhöfen als Vertreter sogenannter alternativer Bestattungsformen. Somit sind alle Besucher angesprochen, die Steinmetze in ihren Werkstätten zu besuchen und zu erfahren, wie sich diese Zeit nehmen, um gemeinsam Erinnerungsformen und Grabzeichen zu entwickeln, die einen mit seiner Trauer nicht alleine lassen.